Für Europa zu Fuß nach London
BrEUnionWalk: Der Kinderarzt und Universitätsprofessor Prof. Dr. med. David Martin marschiert am 02.04.2019 vom Tübinger Marktplatz los Richtung England, um ein Zeichen gegen den Brexit und für Europa zu setzen.
Tübingen. Geboren in den USA, Jugend in England und Frankreich, Medizinstudium und Berufsleben in Deutschland, Forschungsaufenthalt in Australien – David Martin hat die US-amerikanische und die französische Staatsbürgerschaft und ist mit einer Deutschen verheiratet. Ein Weltbürger. Vor allem aber ist der Tübinger Arzt für Kinderendokrinologie und -onkologie überzeugter Europäer.

Als solcher haderte auch er in den vergangenen Wochen damit, wie die Britische Politik für die Verwirklichung des Brexit unternahm und unterließ. Nach der x-ten Abstimmung im britischen Parlament schloss Martin am vergangenen Freitag mit sich selbst eine Wette: Sollte das Unterhaus erneut keinen Soft-Brexit beschließen, würde er sich auf den Weg nach London machen – zu Fuß.
„BrEUnionWalk“ nennt der eher ungeübte Wanderer seine Europa-Tour, zu der er heute in Tübingen aufbricht. Über Pforzheim und Karlsruhe will er nach Frankreich und weiter nach Brüssel wandern, wo er sportlich, und ggf. mit Hilfe, bis zum 12. April anzukommen hofft – dem Tag des verschobenen britischen EU-Austritts. Mit seinem Marsch will Martin ein Zeichen gegen den Brexit und für Europa setzen. Und er will den Menschen in Großbritannien signalisieren, dass sie „wertvolle Mitglieder der EU und weiterhin willkommen“ sind. Seine Wanderung „ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, ist er sich klar. Doch die Welt 2019 sei eine andere, als bei der Brexit-Entscheidung 2017. Darum gibt Martin die Hoffnung nicht auf, dass sich die Briten doch noch bei einem neuen Referendum für Europa entscheiden.
Viele Menschen auf der Insel hätten aus Ärger über die eigene Lebenssituation, aus Unwissenheit oder aus Angst vor Immigration und Kontrollverlust für den Austritt aus der EU gestimmt, sagt Martin. Er selbst kennt die Sorgen der Engländer aus erster Hand, vor allem die der weniger begüterten und bildungsfernen Schichten, unter denen es besonders viele Brexit-Befürworter gebe. In den 1980er Jahren lebte Martin in einer Siedlung in Middlesbrough – „unter 20 000 Arbeitslosen“. Mit einigen dieser Leute habe sein Vater einen Botanischen Garten gebaut, um ihnen den Weg zurück ins Berufsleben zu ebnen. „Die meisten Brexit-Befürworter werden aber aus heutiger Sicht die Verlierer sein“, sagt Martin. Wenn schon nicht aus Egoismus, dann sollten die Briten doch wenigstens der Zukunft ihrer Kinder zuliebe für ein friedliches und stabiles Europa stimmen.
Seinen Verpflichtungen als Arzt, Uni-Dozent und Lehrstuhlinhaber will Martin auch unterwegs so gut wie möglich nachkommen: Im Rucksack hat er Smartphone und Notebook – „Walkoffice“ nennt er diese Grundausstattung, mit der er seinen Patienten eine Art Tele-Sprechstunde anbietet. Über die Erlebnisse unterwegs will David Martin im Blog berichten.
Tübingens OB Boris Palmer findet Martins Aktion so interessant, dass er ihn am heutigen Dienstag um 11 Uhr vor dem Tübinger Rathaus verabschieden will. Wer eine Strecke mitlaufen möchte, oder von anderen Städten starten möchte, ist willkommen.
Zur Person:
David Martin – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen schottischen Europaabgeordneten der Labour-Partei – wurde 1973 in Vermont (USA) geboren. Im Alter von 7 Jahren kam er mit seinen Eltern nach Frankreich in die Nähe von Vichy. Als er 14 war zogen die Martins nach England, zunächst nach Sussex, dann nach Middlesbrough. Nach dem Abitur (A-Level) machte Martin ein Pflegepraktikum in Deutschland, was ihn dazu brachte, doch nicht Mathematik und Philosophie, sondern in Tübingen Medizin zu studieren. 2011 habilitierte Martin in Tübingen und seit 2017 ist er Professor und Lehrstuhlinhaber an derUni Witten/Herdecke. Martin wohnt mit Ehefrau und Sohn in Tübingen.