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Ankunft in London

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Am 1. Mai 2019 hat Prof. Dr. med. David Martin seinen BreunionWalk von Tübingen nach London mit einem Interview mit dem BBC Fernsehen beendet.

Er reiste dann mit dem Zug über Brüssel an die Universität Witten/Herdecke, um rechtzeitig für seinen Studentenunterricht anzukommen. „Ich komme als veränderter Mensch zurück“, sagte David Martin. Vor allem die Realisierung, dass sich zurzeit in allen Europäischen Ländern Menschen in ein rückwärtsorientiertes, nationalistisches und rassistisches Weltbild hineinsteigern, gab ihm sehr zu denken.

(Hier wäre sein www.medienfasten.org hilfreich) Er hat jeden, dem er auf seinem Weg begegnet ist, begrüßt mit den folgenden Worten: „Hallo, ich laufe von Deutschland nach London, um herauszufinden, ob es einen Brexit geben sollte oder nicht. Was denken Sie darüber?“

Weil er eine umgängliche Art und einen milden amerikanischen Akzent hat, öffneten sich ihm Menschen aller sozialen Schichten und Couleur. „Nur zwei Polizisten und eine Bankangestellte wollten sich nicht zu ihrer Meinung äußern“. 126 Menschen hat Martin in Großbritannien auf seinem Weg von Dover nach London interviewed. Von ihnen waren 69 gegen Brexit, 24 unentschlossen und 33 für Brexit.  Dabei zeigte sich, dass die allermeisten Menschen, ob für oder gegen Brexit, ihre Meinung nicht auf eine Analyse von Fakten aufgebaut haben. Im Gespräch fanden sich oft durch propagandistische Inhalte getriggerte Gefühle als Wurzel der Meinungsbildung. Es fanden sich Aussagen wie „Wir müssen unsere Alleinherrschaft wiedergewinnen“ oder „wir müssen wir unser eigenen Gesetze wieder gestalten“. Es war vielen der angesprochenen Menschen nicht klar, dass bereits festgelegt worden ist, dass auch nach Brexit England die meisten Regulierungen der EU genauso weiterführen wird. Viele ältere Menschen glauben, dass sie mit Brexit das Großbritannien der 60er Jahre wiedergewinnen würden. Unerwartet für Martin in seinen Begegnungen war das Ausmaß an rechtsradikalen Gedanken. „Pro AfD, pro Trump. Ganz normale, liebe Menschen verstricken sich immer mehr durch online Foren in dieses Gedankengut. Viele tuen es aus gutem Herzen und echter Fürsorge für ihr Land, ihre Kultur, ihr Volk. Am Anfang sind diese Menschen sehr zurückhaltend mit ihrer Meinung, aber wenn man sich auf sie einschwingt, was gut geht, denn sie sind wirklich guten Herzens, dann öffnen sie sich und erzählen, wie sie das Gefühl habe, von den Liberalen völlig unverstanden zu sein“. „Wir sind nicht Rassisten, wie wollen nur unser Land schützen“, so die Argumentation, „was wir allerdings nicht verstehen, ist warum unter den Flüchtlingen Männer sind. Als Mann bleibt man in seinem Land und baut es wieder auf. Aber wir werfen es diesen Männern nicht vor; wir würden vielleicht das gleiche machen, wenn wir in dieser Situation wären. Deshalb müssen wir ihnen einfach die Chance einzureisen vorenthalten“. „Unsere Kinder erhalten zurzeit in der Schule eine Liberale Gehirnwäsche,“ war ein zweimal vernommenes Kommentar. „In USA ist es Trump, in Großbritannien Brexit: Themen die die Familien, die Gesellschaft spalten. Was ich gelernt habe auf meiner Reise? Vieles, und insbesondere, dass wir viel mehr das Gespräch miteinander suchen sollten. Mit steigender Digitalisierung hat die Zeit, die Menschen im Gespräch miteinander verbringen, drastisch abgenommen. Viele sind in digitalen „Echo-Räume“ welche die eigene Meinung immer mehr verstärken und die der anderen ausblenden. Dabei sind beide Seiten, die liberale und die konservative, wichtig für ein gesundes Gedeihen.

„Was Brexit angeht, gaben mir viele Menschen das Gefühl, Brexit müsse nun vom Staat durchgeführt werden, einfach weil diese Menschen einmal in ihrem Leben als Bürger eine große Staatsentscheidung beeinflussen durften. „Wir zahlen unsere Steuer. Es ist Aufgabe der Regierung, das, was das Volk entschieden hat, zu liefern.” Andere sagten, die Welt sei heute anders als 2016, und die auch Wähler hätten sich entwickelt. Dies beträfe vor allem die 2 Millionen junge Menschen, die damals nicht alt genug waren, um zu wählen und die überwiegend keinen Brexit wollen würden. „Wir brauchen Neuwahlen“, sagten viele. Die Antwort der Brexit-Befürworter darauf lautet: „Das würde die Demokratie untergraben.

„Brexit is crap, but it‘s great to see the english mess-up“ sagte eine irische Studentin. Derweil überlegt sich  Schottland, ein eigenes Referendum zum Austritt aus Großbritannien zu starten. Die Verwirrung ist enorm. (Wie würde dieser Exit denn heißen?)

Jungen Menschen realisieren plötzlich, dass sie sich in einem Land befinden, indem die Älteren keine Lösung finden. Das kann auch eine Chance sein.

Auch in Deutschland schwelt eine soziale Entzündung. Zeitschriften und anderen Medien haben die Verantwortung, diese nicht mit schlechten Nachrichten zu schüren. Dazu gehört zum Beispiel die seriöse Darstellung der Statistiken, dass wir die niedrigsten Einbruchsraten seit 25 Jahren verzeichnen, anstelle eines schlagzeilenkräftigen Einbruchs durch einen Flüchtling.

In einer Zeit zunehmender virtueller „Begegnung“, ist es immanent wichtig, mit „fremden“ Menschen aktiv das Gespräch zu suchen, sie zu verstehen und gemeinsam neue Gedanken zu finden. Denn „Der Andere könnte ebenso recht haben,“ so Martin.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Andreas

    Dear David!
    Congratulations for your success to get to London after one full month of walking across Germany, Luxembourg, Belgium, the Netherlands, France and England and at last even to the BBC!!!
    Thanks very much for this enormous effort to bring the people up for a BreUnion!
    We hope, you are back now at home and in good health!

  2. Rainer

    Dear David,
    thank you again for your personal initiative , your open thoughts and reflections, your learning on the way.
    As someone who has lived in this country for over 25 years now I am torn between sadness of this island’s insular views and disconnected stance towards Europe with its closest neighbours; disbelief at the irrationality of the decision economically and politically, and a tiny bit of admiration for the courage of many in the UK wanting to take this plunge despite it all.
    Viele Leute hier haben ‚die Faxen dicke‘ von der Unfähigkeit gewählter Politiker sich zu einigen, aber diese Unfähigkeit repräsentiert die Zerrissenheit der Meinung in der Bevölkerung . Leider, leider wird die Europawahldiskussion hier fast auschliesslich von den Separatisten/ Populisten beherrscht -und das ist eine Fortsetzung der Unfähigkeit.
    Ich denke, es ist zu hoffen, das diese Entscheidunglosigkeit bald gelöst wird, damit die unendlich wichtigeren Themen wie Klimawandel und notwendige politische Entscheidungen , gerechtere Verteilung von Ressourcen ,… ihren Platz in der Tagespolitik bekommen.
    Ich hoof, es geht Deinen Füssen wieder gut!

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